Seit kurzem geistern mal wieder Dekadenz und Niedergang des Römischen Reichs durch die Medien. Außenminister Westerwelle hat kritisch darauf verwiesen und irgendwie eine Verbindung zwischen Hartz-IV-Empfängern und römischem Plebs gezogen, der auch nicht mehr arbeiten wollte und statt dessen mit Brot und Spielen bei Laune gehalten werden musste.
Allerdings ist das Römische Imperium nicht an seinen faulen Plebejern zugrunde gegangen, sondern weit mehr an den Superreichen, die weder Steuern entrichteten noch dem Militärdienst nachkamen.
In dem Artikel zum Übergang von der Wehrpflicht zum Söldnerdienst in Rom kann man nachlesen, wie sich die Mächtigen zuerst den "ager publicus" als Latifundien unter den Nagel rissen; die römischen Bauern, militärisch das Rückgrat der Legionen, wurden damit gezielt ruiniert. Tja und so musste man schließlich auf Söldner setzen, da es ja kaum noch Bauern gab. Diese Söldner funktionierten auch sehr gut, so lange man sie mit der Beute der Eroberungen bezahlen konnte. Erst als man keine Beute mehr machen konnte (die Superreichen bezahlten ja keine Steuern), ging dann alles vor die Hunde.
Es ging also darum den faulen Plebejern das Brot wegzunehmen, sondern viel mehr den Superreichen ihre Latifundien, um diese an potentielle Bauern zu verteilen. Und genau dies versuchten ja viele Reformer immer wieder zu tun – allerdings mit sehr mäßigem Erfolg.
Herr Westerwelle und seine Klientelpartei sind meiner Ansicht nach nun wieder fleißig dabei dafür zu sorgen, dass die Reichen noch reicher werden und noch weniger Steuern bezahlen. Mehr kann man Geschichte kaum verdrehen.
Außerdem war der römische Pöbel nie dekadent, dazu ging es ihm immer viel zu schlecht; richtig dekadent und moralisch absolut verkommen war dagegen die winzig kleine Oberschicht, die praktisch allen Wohlstand an sich gerissen hatte.
vor 1 Woche
Spätrom und nicht dekadent?
AntwortenLöschenUm 390 berichtet Ammianus Marcellinus von aufgebrachten Massen, die den Stadtpräfekten lynchen wollen, weil sich wegen schlechten Wetters die Getreideschiffe aus Afrika verspätet haben. Er wendet sich mit beißendem Spott der Prunksucht und Oberflächlichkeit der Reichen zu und befasst sich schließlich mit den Vergnügungen der Ärmsten und Niedrigsten: Trinken, Spielen, Theater, Wagenrennen, Wagenrennen, Wagenrennen. "Diese und ähnliche Dinge verhindern, dass irgendetwas von Ernsthaftigkeit oder Dauer in Rom geschieht."
In Rom gibt es um 400 mehr Empfänger von Sozialleistungen als Soldaten im gesamten Westreich. Überhaupt ist das Reich eine Zivilgesellschaft, in der man sich vielleicht noch für Gladiatorenspiele begeistert, aber selbst keine Waffe anfasst. Dies ist explizit verboten und bedarf der Genehmigung von höchster Stelle. (Codex Theodosianus 15.15.1.)
Militärdienst gilt als "schmutzig und eines freien Mannes unwürdig." (Mamertinus) Rekruten werden in Ketten gelegt und mit Brandzeichen markiert. Drückeberger, die sich den Daumen abhacken ("murci"), bedroht man mit dem Tod durch Verbrennen. Die Großgrundbesitzer stehen ausnahmsweise auf der Seite der Bauern, die sie als Arbeitskräfte auf ihren Feldern haben wollen, und hintertreiben die Konskription (Wehrpflicht!) planmäßig. Söldner erscheinen da als günstige, leicht verfügbare Alternative.
Alarich plündert ein Rom, das uneinnehmbar befestigt ist, dessen Bürger aber nicht kämpfen wollen, sondern verzweifelt auf hunnische Söldner warten.
Noch eine kurze sachliche Anmerkung: Zu den Privilegien der Senatoren gehörten auch steuerliche, allerdings war es keineswegs so, dass sie keine Steuern bezahlt hätten.
Sorry, das ist sehr oberflächlich.
AntwortenLöschenNatürlich haben die Latifundienbesitzer sich vom Wehrdienst freikaufen könen, aber die paar Hanseln hätten das personelle Defizit der Armee nie und nimmer ausgleichen können, vor allem nicht in der Zeit der Überdehnung des Reiches.
Natürlich wurden auch die Latifundienbesitzer irgendwann gezwungen, Steuern zu zahlen - und zwar derart, dass diese Schicht relativ rasch verarmte und diese Steuerquelle nur noch tröpfelte. Man konnte ja nicht einmal seine Latifundien verkaufen, da sie keiner mehr haben wollte. Sie waren nichts mehr wert, weil sie nur noch Anlaß zu staatlicher Repression waren. Die daus resultierenden Einnahmen waren vom Kaiser schnell aufgebraucht und es folgte der nächsteSchritt, die rapide Geldentwertung.
Aber da spielen noch ein paar andere Dinge eine Rolle. Was die Inflation angeht, hilft Ihnen ein Artikel(Vortrag) von Peden weiter.
bp