Dienstag, 6. Dezember 2011

Patriotismus

Wegen Urlaub etwas verspäter hier nun ein Leserkommentar:

Guten Tag! Ich versuche nun, über Ihren Blog Kontakt zu Ihnen aufzunehmen. Sie stellen auf Kriegsreisende.de schön dar, dass einfache Söldner wie Peter Hagendorf offenbar keine allzu großen Probleme damit hatten, ihren Dienstherren zu wechseln und gegen das eigene Vaterland in den Krieg zu ziehen. Wie war das aber bei den gebildeteren Söldnern? Im 17. Jh. machten "Vaterland" und "Nation" bereits die Runden, Sprachgesellschaften und politische Pamphlete strotzten nur so vor Nationalismus. Wie kann es da sein, dass das an den Söldnern spurlos vorbeiging? Dass sie womöglich im Wirtshaus das neueste Flugblatt lasen, auf dem die deutsche Nation gepriesen wird, und gleich darauf melden sie sich in französische Dienste und töten Deutsche? Diesen Aspekt des Söldnertums habe ich nie verstanden. (Aber Georg Schmidt beschreibt in seinem Buch "Die Geschichte des Alten Reiches" einen interessanten Vorfall: der Kurfürst von Sachsen sprach mit vier Generälen in schwedischen Diensten, die alle Deutsche waren. Drei von ihnen waren Mitglieder der patriotischen Fruchtbringenden Gesellschaft. Er forderte sie auf, ihre Kriegsdienste zu quittieren und nicht mehr gegen Deutschland zu kämpfen. Sie antworteten, es täte ihnen weh, das eigene Vaterland zu bekämpfen, aber ihr Eid binde sie an Schweden--und ein ehrlicher Deutscher dürfe seinen Eid nicht brechen. Der Kurfürst entgegnete, die Verpflichtung gegenüber dem Vaterland sei angeboren und wichtiger als alle anderen Eide. Die drei Mitglieder der FG quittierten daraufhin tatsächlich ihre schwedischen Dienste. Aber warum traten sie sie überhaupt an?)
(von Anonym)

Antwort von Herotod:
Dazu möchte ich sagen, dass ich Patriotismus in allererster Linie für einen gewaltigen Betrug halte, um Opfer vom Volk zu fordern, die es sonst nie bringen würde. So schrieb der Superpatriot Ernst Jünger in seinem "Arbeiter" (1932) treffend: "Es sind hier Aktionen von einer Brutalität erforderlich, wie sie nur 'im Namen des Volkes', niemals aber im Namen eines Königs auszuführen sind".
Man propagierte das Vaterland immer gerne um Idioten zur Schlachtbank zu führen. Und diejenigen, die den Mund am weitesten aufrissen, gingen nur ganz selten. So war es sehr lange üblich, dass sich der Mittelstand vom Miliärdienst einfach freikaufte. Während des Bürgerkriegs in den USA gab es deshalb den Slogan "rich man’s war, poor man’s fight".

Söldner waren also eigentlich nur Realisten. Und bei den zitierten Kurfürsten sollte man schließlich nicht vergessen, dass gerade sie (Friedrich der Große vorneweg) absolut keine Probleme hatten ihre Untertanen auch an Feinde des Reichs zu vermieten oder gleich gegen den Kaiser zu kämpfen.
Nicht ganz unwichtig war auch, dass viele Berufsoffiziere aus Langeweile in fremde Dienste gingen, wenn zu Hause manchmal über Jahrzehnte nur stupider Garnisonsdienst geboten wurde; daran hat sich bis heute wahrscheinlich wenig geändert.

1 Kommentar:

  1. Es tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte. Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, was Sie über den Patriotismus sagen, aber klüger bin ich deshalb noch nicht. ;-) Gerade das Beispiel mit den Offizieren in schwedischen Diensten lässt mir keine Ruhe. Einerseits waren sie Mitglieder einer nationalistischen, sprachpuristischen Gesellschaft. Andererseits kämpften sie in der schwedischen Armee gegen den Kaiser.

    Einerseits heißt es in Reißners "Historia Herrn Georgen und Herrn Casparn von Frundsberg" über die Schlacht von Pavia: "Die Teutschen Landsknecht auff deß Frantzosen seyten, der Schwartz Hauff genannt, haben sich herzu gethan, und mit grossem Neyd den Keyserischen Fußknechten zugesetzt; sie wolten Ehr eynlegen und jrem König, der jnen viel jar viel Kronen zur Besoldung gegeben, redlich beystehen. Dargegen waren die Keyserischen Landsknecht onder dem von Frundsberg auch begirig wider sie, darumb, daß sie dem Keyser und dem Teutschen Namen zuwider dem Frantzosen, der ein stäter Feind deß Keysers war, wider die Teutschen, jre Brüder und Blutfreund, kriegten."
    Andererseits hatte Frundsbergs Zeitgenosse, Franz von Sickingen, keine Probleme damit, ebendiesem französischen König die Reichsstadt Metz zu erobern.

    Ich verstehe einfach diese Widersprüche im damaligen Söldnerwesen nicht. Einerseits lässt sich durchaus eine nationale Argumentation aufseiten von Dichtern, Politikern, aber auch Söldnern selbst finden. Andererseits wird diese aber wieder völlig ignoriert. Das passt irgendwie nicht zusammen.

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